Tanja Hoppler
Artikel

Zeitgeist – geistreich
Tanja HopplerMit «Bullestress» zeigt das Schauspielhaus Zürich ein Stück der Extraklasse mit dem Hauptthemenschwerpunkt Rassismus. Man könnte meinen, dass es ein ermüdendes Thema ist, weil omnipräsent und schon viel darüber diskutiert wird. Manch einer glaubt vielleicht sogar, in der Schweiz sei dieses Thema nicht aktuell. Doch das Stück zeigt auf – weit gefehlt! Auch in der Schweiz ist Rassismus brandaktuell. Vielleicht gerade deswegen, weil vieles hinter halb vorgehaltener Hand geschieht und sich das Land mit einer Neutralität brüstet, die es schlicht oft nicht gibt. Umso relevanter ist es sich damit auseinanderzusetzen, darüber zu schreiben und Theater zu machen.An diesem Abend beweisen die Darsteller:innen echtes schauspielerisches Talent und eine unglaubliche Energie! In 1h 45Min. spielen sie dieses atemberaubende, aus dem Leben gegriffene Stück – ohne Pause durch. Eine echte Meisterleistung.©…

Alle gegen alle
Tanja HopplerTabea Martin lädt mit ihrem Stück Geh nicht in den Wald. Im Wald ist der Wald am Jungspund Festival zum Nachdenken an. Und das auf eine liebevolle, manchmal auch grobe, Art und Weise. Sie geht grossen Fragen nach: Was ist normal? Was weicht von der Normab? Wo fängt diese an? Und wer bestimmt sie? © Helen ReeUns wird der Spiegel vorgehalten. Die Tänzer:innen brüllen uns leise ins Ohr, witzig veranschaulichen sie den Ernst der Situation. Denn wir sind Teil. Teil von all dem, was passiert. Immer. Wir können uns nicht entziehen. # Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hinJede:r kennt es wohl, sich anders fühlen, nicht dazu zu gehören, ausgegrenzt zu werden. Und gar nicht so recht zu wissen warum.Wie grausam können Kinder sein? Ab wann ist es Mobbing? Ein Spass zu viel, etwas zu schroff, dabei sein wollen, noch einen draufsetzten und noch etwas mehr. Alles nur um Anschluss zu fin…

Definitionszwang und Schwimmen in der Ungewissheit
Tanja Hoppler© Studierenden Theater Zürich)Das Zuschauerlicht erlischt, beleuchtet wird ein minimalistisches Bühnenbild, ein Baugerüst. Menschen treten in einer schönen Anordnung auf die Bühne. Mein erster Gedanke: Ein Chor? Ein Pulk? Meine Vorahnung wird bestätigt. Erst sprechen einzelne, dann werden Wortfetzen wiederholt, es wird chorischer, bis die geballte Kraft des Chores hervorbricht.Ein schönes Intro.Ich werde dann in eine Szenerie geworfen, in der ein Vater sein Kind umgebracht hat. Mit Strychnin. Ein stark wirkendes, tödliches Gift. Kindsmord? So klar scheint das nicht zu sein. Nicht die Tatsache des Mordes, sondern ob es sich wirklich um ein Kind handelt. Denn dieses Kind weist affenähnliche Züge auf. Der Doktor ist sich erst unsicher, ob er den Tod dieses Wesens wirklich feststellen soll und kann. Ist es ein Mensch, ist der Vater zu bestrafen, ist es ein Affe, wäre das Ganze ja nicht so…

Endlich wieder Theater!
Tanja HopplerCorona hat ja so ziemlich allen einen Strich durch die Jahresrechnung 2020 gemacht… So auch mir. Zwei Theaterprojekte sind mir von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Umso schöner war es, nach drei Monaten Pause, viel Ungewissheit und wirklich genügend Zeit für mich, eine spontane Anfrage für die Unterstützung in der Endphase von ZORA zu bekommen. Mäuschen an einem heiligen OrtZORA – die Geschichte der roten Zora und ihrer Bande, erzählt von fünf Schauspieler*innen des kollektiv thunfisch. Mitte Juni durfte ich während fünf Tagen die Truppe unterstützen, da und dort zur Hand gehen, ihnen beim Proben zuschauen und die Tontechnik fahren. Wie war ich glücklich, als ich den Probeort, das Theater am Gleis in Winterthur, betreten durfte. Diese heilige Halle, wo grosses passiert (und manchmal ganz kleines) auf diesen Brettern, die die Welt bedeuten...Hörst du die Stille? Das Knarzen…

«Jelinekisierung» von Nathan und den Studierenden der Uni Zürich
Tanja HopplerIch sitze an meinen Laptop, öffne Word und denke über den Probenbesuch von letzter Woche beim Stuthe (Studierendentheater Zürich) nach. Zum Schreiben höre ich gerne Musik. Doch sie muss passen. Was passt also zu dieser Frühlingsproduktion? Abstraktion – der neue Weg des StuthesDas Stuthe geht in diesem Jahr mit ihrem Stück «Nathan der * * * » ganz neue Wege. Sie wollen nicht mehr nur «Guckkastenbühne», sondern die Form aufbrechen. Dies gilt nicht nur für die Bühne an sich, sondern für die gesamte Inszenierung. Sie wollen neue Herangehensweisen ausprobieren, klassische Spielformen über Bord werfen und sich in ganz neue Gefilde wagen.Für diese Herausforderung setzt sich die Truppe mit dem Werk von Gotthold Ephraim Lessing «Nathan der Weise» auseinander und kombiniert es mit dem Sekundärdrama «Abraumhalde» von Elfriede Jelinek. Unterstützt werden sie dabei von Alexander Stutz und Federi…
«Jelinekisierung» am Stuthe in Zürich
Tanja HopplerIch sitze an meinen Laptop, öffne Word und denke über den Probenbesuch von letzter Woche beim Stuthe (Studierendentheater Zürich) nach. Zum Schreiben höre ich gerne Musik. Doch sie muss passen. Was passt also zu dieser Frühlingsproduktion? Abstraktion – der neue Weg des StuthesDas Stuthe geht in diesem Jahr mir ihrem Stück «Nathan der * » ganz neue Wege. Sie wollen nicht mehr nur «Guckkastenbühne», sondern die Form aufbrechen. Dies gilt nicht nur für die Bühne an sich, sondern für die gesamte Inszenierung. Sie wollen neue Herangehensweisen ausprobieren, klassische Spielformen über Bord werfen und sich in ganz neue Gefilde wagen.Für diese Herausforderung setzt sich die Truppe mit dem Werk von Gotthold Ephraim Lessing «Nathan der Weise» auseinander und kombiniert es mit dem Sekundärdrama «Abraumhalde» von Elfriede Jelinek. Unterstützt werden sie dabei von Alexander Stuck und Federico…

INTRIGE feiert sein erstes Weihnachtsfest!
Tanja HopplerLeute! Es ist einfach unglaublich! INTRIGE wurde am 14. September aufgeschaltet, uns gibt es also seit etwas mehr als drei Monaten. Und seit diesem Tag haben wir auf unserer Website 5‘689 Besucher*innen aus insgesamt 49 Ländern verzeichnen können. Ist das nicht der Wahnsinn? Es gibt natürlich auch immer viel Gutes zu lesen bei uns, das zeigt sich an den 25‘000 Klicks.Wir haben bis zum heutigen Zeitpunkt 49 Artikel veröffentlicht und im neuen Jahr werden wieder viele neue folgen. Wir haben einen monatlichen Newsletter (hier gehts zur Anmeldung) gestartet, der immer anfangs Monat über die Neuigkeiten in der Jugendtheaterszene berichtet. Gerade gestern haben wir die SPIELORTE veröffentlicht. Und im neuen Jahr nimmt die erste neue INTRIGE-Sektion ihre Arbeit auf: In Berlin!.Im neuen Jahr werden ausserdem viele weitere neue Projekte folgen, frohlocket also bereits!Nun verabschieden wir …

Sie hend eus alles cloud!
Tanja HopplerDas oben gezeigte Gedicht ist nicht irgendein Gedicht, sondern die erste digital erschaffene Poesie, das Autopoem No. 1. Aber was heisst denn das, wenn der Computer alles übernimmt, selbst die Kunst?In WELT DER WÖRTER am Kinder- und Jugendtheater Zug geht es um genau das. Die zwischen zehn und fünfzehn Jahren alten Jugendlichen, sind sich einig: «Sie hend alles cloud, sie hend eus alles cloud!» Sie haben nicht nur die Literatur geklaut, die Bücher, die wundervollen. Bücher, die einen Geruch haben, wenn man an ihnen riecht, eine raue Oberfläche, wenn man sie berührt, rascheln, wenn man die Seiten umblättert - eigentlich ein ganzes Leben in sich besitzen. Sie haben auch die Musik geklaut, die Platten, Kassetten und CDs. Und die Fotos, die nicht mehr im Fotoalbum kleben, die Erinnerungen, die verblassen, weil sie im digitalen Nirvana untergehen. So vieles ist nicht mehr vorhanden, weil …

SUPERPLANET – wie ist das nochmal mit dem Klimawandel?
Tanja HopplerLichterspiel, 20er Jahre Sound und IsolationsanzügeFür mich beginnt ein Theater immer schon dann, wenn ich das Gebäude betrete. In der Gessnerallee 11, im Podium der ZHdK, begrüsst mich ein warmes, farbiges Licht, erzeugt von einer Discokugel. Das langsam drehende Lichtspiel, kombiniert mit aufgelegter Musik (von Ashwini Anthony), der 1920er/30er Jahre, stimmt mich schon zu Beginn richtig freudig auf das, was da kommen mag.Da noch etwas Zeit ist, lese ich den Flyer. Die Stimmung im Foyer passt irgendwie nicht so recht zu dem, was ich da lese:«Jede soziale Bewegung ist eine Minderheitsbewegung am Anfang. Und sie wird verpuffen oder Subkultur bleiben, wenn nicht Angehörige der Mehrheitsgesellschaft diese Anliegen übernehmen.»© Cedric Christopher MerkliIch trinke gerade meinen letzten Schluck Apfelsaft, als plötzlich das Licht erlischt und die Musik abrupt verstummt. Drei Frauen in Iso…

10 Fragen an Suna Gürler
Tanja HopplerAm Montag, 30. September, habe ich meinen Interview-Termin mit Suna Gürler. Pünktlich um 14.00 Uhr holt sie mich beim Bühneneingang des Pfauens ab und wir setzen uns zusammen auf die Terrasse in der Kantine.Ich stelle zehn Fragen an sie als Person, das Theater und vieles mehr. Das sind ihre Antworten.Suna Gürler, © Lupi Spuma Über Zimmerpflanzen1) Was gibt es privat zu dir zu sagen? Wo und wie lebst du?Ich finde es gar nicht so spannend über mich! als Person zu sprechen. Dementsprechend mache ich das immer in Zusammenhang mit meiner Arbeit, denn mein Privatleben und wie ich aufgewachsen bin, fliessen natürlich sehr stark in meine Arbeit ein.Die letzten Jahre habe ich am Gorki Theater Berlin mit Shermin Langhoff gearbeitet – erst seit ein paar Monaten lebe ich in Zürich. Alle acht Hausregisseur*innen des Schauspielhauses leben auch hier, das ist eine Verabredung mit der Intendan…

Wer ist eigentlich alles verrückt in diesem Haus?
Tanja HopplerDas Studierenden Theater der Universität Zürich (kurz: StuThe) präsentiert seinem Publikum einen Klassiker. Arsen und Spitzenhäubchen von Joseph Kesselring feiert seine Premiere am 11. Oktober im Theatersaal der Universität Irchel. „Wir haben auch das Recht auf unsere kleinen Geheimnisse“Als ich den Saal betrete, begegnet mir ein minimalistisches Bühnenbild in schwarz-weiss. Die mit schwarzem Molton verhangenen Wände werden geschmückt von einfachen zusammengezimmerten weissen Sarg-Rahmen, die als Ein- und Ausgänge dienen. In der Mitte steht, ebenfalls in der Form eines Sarges, eine grosse Truhe. Als das Licht erlischt, wird es ganz still im Saal. Das zuvor vorherrschende Stimmengewirr und Gelächter verstummen. Das Kribbeln der Premiere wird spürbar, die Spannung steigt. Dann, ganz langsam wird es auf der Bühne hell und das Stück beginnt. Das Schauspiel dreht sich um die beiden Dam…

Kräftiger, weiblicher, junger Saisonstart am Schauspielhaus Zürich
Tanja Hoppler© junges theater baselVoller Erwartung und Vorfreude betrete ich die Box des Schiffbaus. Doch mit dem was mir in den folgenden eineinhalb Stunden gezeigt wird, habe ich definitiv nicht gerechnet. Flex fegt mich voll und ganz weg – mind-blowing pur. Die Eröffnung der Theatersaison 2019 / 2020 am Schauspielhaus Zürich, die zudem auch die neue Intendanz einläutet, startet mit einem Stück des jungen theater basel von der neuen Hausregisseurin Suna Gürler.Frausein – Do's und Dont’sSechs Schauspielerinnen stehen auf der Bühne und stellen sich den Schwierigkeiten des Frau-(Mensch-)seins heutzutage. Von Geburt an wird dir gesagt, wer du zu sein hast, beziehungsweise wie du sein sollst. Nicht nur Eltern, sondern auch Lehrpersonen, Freund*innen, Youtuber*innen und Influencer*innen beeinflussen dich dabei.Es gibt ganz klare, teils unausgesprochene Regeln, was das Frausein anbelangt. Was man mö…