
Liebe aller Art
Standard-Wörter über das Themenfeld Liebe flimmern über einen Bildschirm oberhalb der Bühne: Verliebtheit, Flirten, Scheidung, Lovesongs, Herzschmerz. Sie wechseln schnell und geben jeweils den Einstieg in die nächste Szene. Wir befinden uns auf der Foyerbühne vom Theater Winterthur, wo das Theater Junge Marie sein Stück Oh
Heirat und Homo-Ehe
Es wird zu fünft in einem weissen Tuch geheiratet und dabei an die nationale Abstimmung der Homo-Ehe gedacht, welche immer noch keine Gleichberechtigung auf Gesetzesebene für nicht-heterosexuelle Paare brachte. Alle singen leicht schief «so naturaaaal»; die Form zeigt die Fragwürdigkeit der Grenze zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit auf. Dann wiederum ist nur eine Person auf der Bühne und tanzt wie wild, schaltet die Rauchmaschine mehrmals an und bittet den Lichttechniker nach farbigem Licht. Manchmal wird das Publikum direkt angesprochen, uns die Liebe versprochen, mit uns geflirtet oder viele Fragen gestellt: Wann weiss ich es? Wie weiss ich es? Oder braucht es einfach neue Wörter? Ein Musiker mit verschiedenen elektronischen Instrumenten begleitet und interagiert mit den Spieler:innen auf der Bühne; da wird gebeatboxt, gesungen, gesummt oder mitgejohlt. Krisen werden verkörpert und Konsens wird ausgehandelt; romantisch sind hier nicht Bilder von Illusionen, sondern die Auseinandersetzung mit sich selbst oder den anderen oder direkt im szenischen Rahmen. Technische Abläufe werden wie im postdramatischen Theater üblich ausgestellt und die Spieler:innen stellen wenn möglich direkten Kontakt zum Publikum her.
Die Jugendlichen im Publikum scheinen konzentriert und fühlen sich angesprochen, kichern im Dunkeln, wenn zwei Stimmen kurz vor dem Sex über ihre Beziehung sprechen, oder tuscheln nervös, wenn ein:e Spieler:in einzelne Personen direkt anflirtet, um die Liebe auf den ersten Blick auszuprobieren. Der Abend mit den «Jungen Marie»-Spieler:innen ist kurzweilig, aktuell und hat eine Botschaft: Wir brauchen neue Wörter, um all das zu beschreiben, was Liebe ist, denn Liebe ist plural. «So natural» ist hier höchstens die Lust, sich zusammen im Ausprobieren zu versuchen.
