Das junge theater basel hat ein neues Stück! Und ich war schon da! UNTITLED [2020] von Henrike Iglesias macht mir zu Anfang ein bisschen Sorgen – muss ich zugeben. Ich will nicht, dass es ähnlich anfängt wie andere Stücke des jungen theater basels. Ich will was Neues, was Spritziges, was Innovatives und was, das mich zum Nachdenken bringt. Aber auch zum Lachen. Lachen ist wichtig.
Das Stück beginnt mit allen sechs Schauspielerinnen auf der Bühne. Jede sitzt an einer anderen Stelle, in einer anderen Position. Alle schauen auf ihre Handys, man hört Tippgeräusche, Benachrichtigungsklingeln, Wecker, Youtube-Videos und alles was man sich sonst so anschaut auf diesen Smartphones. Da macht sich meine Sorge bemerkbar. Ich bin ein bisschen besorgt, dass es sich nun um den Medienkonsum der heutigen Jugend dreht. Was es im Endeffekt auch ein bisschen tut – aber eben nicht nur. Nach zehn Minuten sind meine Sorgen schon verflogen, oder besser gesagt, weggelacht. Die sechs Schauspielerinnen bringen einen unheimlichen Charme auf die Bühne, mit allem was sie sagen. Sie spielen so authentisch, dass ich ihnen alles abkaufe und sie mir so auch im echten Leben vorstelle.
Die Interaktion der Spielerinnen beginnt damit, dass sie sich alle bei einer Demonstration treffen, die schlussendlich gar nicht stattfindet. Warum genau sie an die Demo gegangen sind weiss keine. Um was es bei der Demo geht auch nicht. Aus dieser Situation heraus, entsteht eine Energie, in welcher sich die sechs einig sind, dass sich etwas ändern muss. Sie reden davon, selbst aktiv tätig zu werden, sich mehr und besser einzusetzen bei Dingen, die sie stören, nerven und einfach nur unglaublich wütend machen. Diese Dinge reichen von Rassismus, Sexismus und toxischer Männlichkeit über Kapitalismus zu Diskriminierung und Digitalisierung. The whole range also. Eben alles, was sie stört. Die allgemein strukturelle Ungerechtigkeit, um genauer zu sein. Aufgeladen mit Wut, aber auch mit Motivation machen sie sich auf in den Wald – Nailas Grossmutter soll da ein Häuschen haben, in dem sie sich am besten um die verschiedenen Angelegenheiten kümmern könnten. Dort angekommen entstehen schon die ersten Streite, die sechs sind sich nicht sicher, wofür sie sich nun spezifisch einsetzen sollen. Es fallen Fragen wie: «Was ist Aktivismus?», «Wie betreibe ich Aktivismus?», «Was darf ich Aktivismus nennen und was nicht?». Schliesslich schlüpfen sie alle in unterschiedliche Rollen, alle mit einem eigenen Ziel. Aus Rabea, Paula, Naila, Dilan, Elif und Linarosa werden Eazy Rabreezy, PC-Paula, Nylane, Dilly G, E-Life und Cozy Rozy.
Eazy Rabreezy setzt sich mit Rassismus auseinander, PC-Paula mit dem «Helfen bei Aktivismus». Das heisst konkret: Sie macht Youtube-Videos, in denen sie erklärt, wie Toleranz gegenüber Mitmenschen geht. Nylane kümmert sich um Bodyshaming und Bodypositivity. Dilly G singt über ihre Scham, die sie in keiner Sekunde allein lässt. E-Life bekämpft toxische Männlichkeit mit sanften ASMR Podcasts und Cozy Rozy schafft eine Stimme für Menschen mit einer Behinderung. Für alle, die nicht wissen was ASMR ist: ASMR heisst "Autonomous Sensory Meridian Response" und wird eingesetzt bei Stress oder Schlafproblemen. Heute geniesst das ASMR einen ziemlichen Hype um sich, man begegnet ihm in verschiedenen Formen: Menschen, die in ein Mikrofon flüstern, schmatzen oder mit Objekten angenehme Geräusche machen, können damit heute eine Menge Geld verdienen. Für ausführlichere Infos gib es einfach mal bei Youtube ein.

© junges theater basel

Ich habe schon lange nicht mehr so herzhaft gelacht im Theater. Die Schauspielerinnen verlieren in keiner Sekunde ihren Witz, ihre Lässigkeit und ihr Talent. Denn Talent ist da, sehr viel sogar. Auch wenn ich am Anfang meine Zweifel hatte, was die Themenauswahl angeht, bin ich sehr zufrieden mit dem Stück. Denn auch inmitten dieser ganzen Gesellschaftskritik, wirkt es nie plakativ, es sagt nie: «Du musst es so und so machen und wenn du das nicht tust, bist du scheisse», sondern eher: «Mach es doch so, dein Leben wird viel einfacher sein, und das der anderen auch».
Wenn ich du wäre, würde ich so schnell wie möglich hingehen. Schnapp dir ein Bier an der Bar (oder auch ne Apfelschorle, was immer du lieber magst), lass dich von den sechs wunderbaren Frauen in ihren Bann ziehen und amüsiere dich. Es lohnt sich. Wirklich.

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Isabel Sulger Büel

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