
Peer Gynt steckt in einer Krisensituation, er weiss nicht, wer er ist – ist er überhaupt sich selbst? Fragen, die sich vermutlich jeder selbst schon gestellt hat. Dabei schält er eine Zwiebel und Schicht für Schicht rekapituliert er sein Leben. Jede Zwiebelschale steht für ein Ereignis in Peers Leben. Er erinnert sich an die Hochzeit von Olaf und Ingrid, dass Ingrid Olaf nie heiraten wollte, sondern schon immer davon träumte mit Peer durchzubrennen. An den Wald mit der schönen Trollprinzessin, die einen Prinzen zum Heiraten suchte und Peer ihr diesen Wunsch erfüllte oder an die Geschichte, als die Frauen ihn für einen Propheten hielten und ein Fest für ihn veranstalteten. „Ja, Peer war eben ein Frauenheld.“ Diese Begehrtheit bei den Frauen zeigt Peer auch, wenn er zum Lied I’m too sexy mit seinen Muskeln protzt. Durch solche amüsanten Szenen wird der Ernst der Thematik aufgelockert.
Kulisse aus Strohballen
Peers Faible für eine Menge an Frauen zeigt sich auch im Bühnenbild von Pascal Pompe, in Form von Schaufensterpuppen. Einzelne Körperteile dieser Puppen werden je nach Szene zum entsprechenden Requisit umgeformt. Der Arm dient als Zepter des Trollkönigs, der Kopf ist das Baby der Prinzessin oder die Hand als Medikamente für die Menschen im Irrenhaus. Ebenfalls eine raffinierte Idee fürs Bühnenbild sind die Strohballen, welche als Thron des Trollkönigs oder als lange Tafel für Peers Gäste fungieren. Das Bühnenbild kann ständig neugestaltet werden und regt die Vorstellungskraft des Publikums an. Man beginnt sich auszudenken, was die Strohballen in der nächsten Szene noch alles sein können.
Peer
Peer Gynt ist kein Sympathieträger – die Schauspieler*innen der Jungen Bühne Bern jedoch total. Wie das Bühnenbild wechselt auch die Besetzung Peer Gynts ständig. Er wird nicht nur von einer Person gespielt, sondern wird von Szene zu Szene von jemand anderen des Ensembles übernommen. Dieser Schauspieler*innen-Wechsel geschieht immer mit den Worten: „Wonach soll man trachten?“ Das Kleidungsstück, was die Figur Peer Gynt markiert, wird an die nächste Person weitergegeben und diese spielt dann für die nächste Szene in dieser Rolle. Auch für die anderen Figuren kann man den Schauspieler*innen am Bühnenrand zusehen, wie sie sich schicke Kleidung für die Hochzeit überwerfen oder sich alle ein grünes Accessoire (Hut, Schal oder Gilet) umbinden und dadurch zu Trollen werden. Trotz gelungenem Rollenwechsel werden die Figuren teilweise zu überspitzt dargestellt. Beispielsweise als Peer den kopftuchtragenden Frauen als Prophet erscheint. Sie veranstalten ein Fest zu Ehren des Propheten und tanzen dabei zu arabischer Musik. Durch ihre Attribute und ihren Tanzstil ist die Darstellung zu plakativ und nicht mehr zeitgemäss. Dies ist aber auch der einzige Kritikpunkt, denn ansonsten war es eine sehr abwechslungs- und ideenreiche Aufführung, den Klassiker Ibsens in den modernen Kontext einzubetten.