Ein paar Trash-Songs, vier junge und ältere männliche Darsteller, aktuelle gesellschaftliche Themen und eine leicht unterhaltsame und verständliche Dramaturgie: ein Stück des Jungen Schauspielhauses über das Thema Männlichkeit.
In dem Männerstück vom Autor Lucien Haug gibt es einmal den depressiven Vater, der im Pyjama dem Sohn ein Bier anbietet, seine Rechnungen ignoriert, nostalgisch an seiner toten Frau hängt und lieber nicht über seine Probleme reden möchte. Der Sohn auch nicht wirklich, aber er möchte die Dinge in Ordnung bringen und versucht sich um seinen Papa zu kümmern. Der Glitzermann, der immer mal wieder für das Abspielen eines Popsongs verantwortlich ist, stellt Fragen, die auf indirekte Art beantwortet werden, und lässt sich vom Sohn zu einem Comeback ermutigen. Es wird ersichtlich, dass der gescheiterte Musiker immer mehr im Laufe des Stückes versucht, die Männer zum Weinen oder Reden, also zum Austauschen von Gefühlen, bringen will. Der sehr marginal vorkommende vierte Spieler ist der ältere Sohn, der nach dem Unfall und dem folgenden Tod der Mutter aus dem Haus ausgezogen ist, und den Vater konfrontiert, dass dieser ins Schreien kommt. Die Szenen folgen aufeinander, manchmal mit kurz eingespielter Musik dazwischen, das Seilgerüst wird nach oben gezogen oder schräg auf beiden Seiten runtergelassen, die Spieler sitzen auf dem Gerüst, spielen mit den Seilen, binden sie zusammen oder benutzen sie als Schaukel.
Leicht unterhaltsam und wenig überraschend kommen die Konflikte mehr und mehr auf den Tisch, grosse Spannung wird dadurch aber nicht wirklich erzeugt. Dafür ist die Dramaturgie zu gleichförmig und die Dialoge kommen zu realistisch daher; die umgangssprachlichen und lokalen Bezüge („Ist das der Himmel?“ - „Nein, Oerlikon.“) erzeugen vereinzelt Lacher im Publikum, auf einer theatralen Ebene funktioniert die Alltagshaltung bisweilen nur mässig. Es fehlt an Momentum, wie zum Beispiel in der Eröffnungsszene, das den richtigen Rhythmus und die Haltung für die Sprache findet.
Es werden allerlei wichtige gesellschaftliche Themen (psychische Krankheiten, Homophobie, Care-Arbeit, Vaterschaft, Arbeitslosigkeit) angesprochen, welche für ein junges Publikum und auch für den Lehrplan eine recht passende Verarbeitung in diesem Stück gefunden haben: ein bisschen Trash, eine kongruente Erzählweise, aktuelle Alltagsbezüge. Bei der Umsetzung von Stilmitteln in der Zeit wäre mehr Radikalität möglich gewesen: Die Rhythmik folgt einem eher gleichbleibenden Taktmuster. Eine der grössten Unterbrechungen davon ist der Moment, in dem Tearjerker „Euphoria“, ein motivierender Mainstream-Popsong, abspielt und die drei Männer auf peinliche und etwas chaotische Weise Bühnenauftritte üben. Diese Szene gewinnt durch die Gegensätze zwischen perfekt gemastertem Sound und dem tollpatschigen Rumgelaufe der Performer. Leider kommt nach dem Bruch der Szene nicht mehr Energiefluss in das Spiel der Darsteller. Auch andere Szenen überzeugen durch ihre Einfälle: Snares werden magisch klingend durch die Gegend geworfen oder es wird um das Gerüst im Kreis gerannt. Beide Male kommt durch die Körperlichkeit eine interessante Mehrdeutigkeit auf, die in den Dialogszenen oftmals fehlt; die Aktionen widerspiegeln meist eins zu eins die Inhalte des Textes.
Und so hat man irgendwann den Eindruck, als dass diese vier Männer so vor sich hin spielen, irgendwas halb versuchen und vor allem, dass etwas fehlt: irgendwo zwischen emotionslos und verwahrlost, so könnte man ihre Welt beschreiben. Männer allein, hier ohne die Mutter/Ehefrau, überleben mehr als das sie leben, scheint hier die Botschaft zu sein und kommt durch Form und Inhalt an. Auch das Ende ist das Ende vom Ende vom Ende: Nachdem auf dem Sofa endlich mal alle zusammen sitzen und vertrauter miteinander reden, wird prospektiv eine Fernsehsession des ESC gespielt, um danach auch noch den schweizweit bekannten Moderator Sven Epiney per Lautsprecher den wiederholten Misserfolg von Tearjerker kommentieren zu lassen.
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