Laura Tontsch
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Registered Trademark: Theater®
Laura TontschDie Kränkung des westlichen TheatersNach dem Lockdown gibt es endlich wieder Theaterdaten, die man sich in den Kalender eintragen kann. Bald kann man das Premierenoutfit aus dem Kleidersack hervorholen und die Weissweinschorle im Voraus kaltstellen. Das Postpandemische Theater steht vor lauter Vorfreude schon vor der Sommerpause in den Startlöchern. Ebenso wie die Shakespeare und Tschechow-Stücke, die wir alle doch am allermeisten vermisst haben. Bald können wir wieder die Vorzüge der leiblichen Ko-Präsenz geniessen und zwar live sowohl im Saal als auch im Foyer. Ein Traum.Als Theatermensch hab ich mich zu freuen, so scheint mir. Doch das tu ich nicht. Mir fällt es schwer, nach den vergangenen Monaten den gewohnten Theaterbetrieb sich wieder in Gang setzen zu sehen. Der Lockdown und die Antirassismus-Bewegung haben meine Einstellung zu “Theater” zutiefst erschüttert. Ich habe das “The…

Die fünf Stadien des pandemischen Theatermenschen
Laura TontschWenn die leibliche Kopräsenz zur laiblichen Kopräsenz wirdSeien wir ehrlich. Die letzten Wochen waren nicht gerade leicht. Etwas, das uns so glücklich gemacht hat, ist einfach aus unserem Leben weggebrochen. Gestern noch haben wir tolle Abende miteinander verbracht. Wir haben gemeinsam gelacht, geweint, diskutiert und geliebt. Und von einem Tag auf den anderen war alles aus. Wir wurden versetzt mit unseren halbfertigen Produktionen und den gekauften Tickets. Es wurde zwar gemeint: «Wir sollten für einige Zeit erstmal getrennte Wege gehen.», «Ich brauche einfach meinen Freiraum.», «Es ist das Beste für uns beide», «Es ist nur vorübergehend.» und «Es liegt nicht an dir. Es liegt an mir.» Aber tief in unserem Herzen wussten wir, was das hiess. Wir wussten, dass wir durch eine schmerzliche Zeit gehen werden ohne konkrete Aussicht auf eine epische und romantische Wiedervereinigung. Das The…

Theatermensch, der
Laura TontschDer Theatermensch (Homo theatrum amandi [1]) (kurz: ThM) ist aktives Mitglied des Mikrokosmos «Theaterwelt». Vor allem im deutschsprachigen Raum gibt es eine ausgeprägte Form, die sich dadurch auszeichnet, dass sie aus einer selbstverschuldeten Exklusivität die Welt reflektierend betrachtet. Die Gedanken dazu konsumiert und produziert der ThM in Form von dramatischer, performativer Kunst; meistens in dafür vorgesehenen Theaterhäusern.[1] Lat.: Der theaterliebende Mensch. 1. WerdegangDer Werdegang des ThM beginnt meistens mit einem prägenden Theaterereignis. Dies kann etwa eine Theateraufführung oder die Partizipation an einer Theaterproduktion sein. Einige werden auch durch frühkindliche Aussetzung mit der Theaterwelt durch ThM-Verwandte in den Mikrokosmos gezogen. Der Grund für die Entscheidung, diesen Werdegang einzuschlagen, ist sehr individuell. Doch eine tiefe Faszination für…

Wie geht man eigentlich ins Theater?
Laura TontschMoment mal! Können wir ganz kurz innehalten? Bei so vielen Kritiken und Einblicken ins Theater möchte ich einen grossen Schritt zurückgehen. Dieses «Ins Theater gehen» ist eine ziemlich tolle Freizeitbeschäftigung. Aber an keiner Stelle wird einem erklärt, wie das eigentlich geht. Es ist ja nicht so, dass es ein bewusster Lehrplanpunkt in der Schule wäre. Ihr wurdet sicher alle mal zusammen mit eurer Schulklasse in ein Theaterhaus gejagt, hingesetzt und um Ruhe gebeten. Bitte alle klatschen. Auf Wiedersehen. Tolle Erfahrung. So geht man also ins Theater. Nicht.Es ist durchaus legitim, dass es befremdlich erscheint, ins Theater zu gehen. Von aussen wirkt das Theater oft wie ein abgeschlossener, traditionsreicher, elitärer Mikrokosmos, in dem eigene Regeln herrschen. Ist es auch. Umso wichtiger ist es, dass jede Anwandlungen von Exklusivität konsequent eingerissen werden. Theater ist …

Was man über Theateraufnahmeprüfungen wissen sollte
Laura TontschAufnahmeprüfungen. Wo fängt man da an? Aufnahmeprüfungen sind dieses unangenehme Nadelöhr, durch das man sich zu zwängen hat, um in das Theaterland voller unbegrenzter Möglichkeiten zu gelangen. Die Theaterschulen spielen dabei die Rolle eines strengen Torwächters. Sie entscheiden, ob du würdig bist, dieses Land mit Anerkennung zu betreten und in ihm zu wirken oder nicht. Wird dir der Zutritt verweigert, musst du dir deinen Weg zu Ruhm und Ehre über einen anderen Eingang bahnen. Das geht natürlich nur, wenn du es wirklich willst. Dann sollte das ja kein Problem sein, so wird einem gesagt. Man käme schon irgendwo irgendwann rein. Bestimmt. Nur nicht hier. Oder vielleicht im nächsten Jahr. Komm doch nochmal wieder.Wie kafkaesk [1].Man fragt sich, ob es einem so schwer gemacht wird, weil es tatsächlich ein sehr elitärer (aber schlecht bezahlter) Lebensweg ist, oder ob das durch dieses …

Die Reflexionsmaschine oder Worum es wirklich geht.
Laura TontschKennt ihr den Spruch: «Lerne so, dass deine jüngeren Geschwister es verstehen, wenn du es ihnen erklärst»? Mir hat diese Lernmethode oft geholfen. Ich hatte lange keine Geschwister, also habe ich mir beim Lernen für Prüfungen immer einen jüngeren Menschen vorgestellt, der ungeduldig auf meinem kleinen Sofa sitzt und genau in diesem Moment unbedingt erklärt bekommen möchte, wie das mit der Französischen Revolution lief, warum ein Gegenstand magnetisch ist, oder was Michel Foucault mit seinem Begriff der Gouvernementalität wohl meint. In solchen Momenten ging es nicht darum, dass man sich auf ein niedrigeres Niveau herablässt, um der weniger belesenen Person die Welt zu erklären, sondern dass man sich auf die Frage einlässt: «Worum geht es wirklich?»Ich bin jetzt in meinem letzten Jahr im Master Theaterregie. Das heisst, in meinen Gedanken bin ich mit einem Fuss noch auf meiner Jugendt…