
Ästhetische Meisterleistung
Zwischen den einzelnen Anekdoten zu persönlichen Erlebnissen oder diskriminierenden Gesetzen gegen die indigene Bevölkerung, sind lange Sequenzen mit Musik oder dem Spiel mit Kaffee oder Zucker auf einer durchsichtigen kreisförmigen Fläche eingebaut. Die Aussage, die sie machen sollen, bleiben mehrheitlich ein Geheimnis. Was zu Beginn zusammen mit den Bildprojektionen aus Kolonialzeiten, noch nachvollziehbar ist, entschwindet in Kaffee-Zucker-Spiel. Dieses Spiel erzeugt spannende Effekte, beispielsweise als die kreisförmige Leinwand aufgedreht wird und sich selbst wieder aufdröselt. Am Wendepunkt angekommen, fliegen die Kaffeebohnen eindrücklich von der Fläche auf die Bühne.
Ästhetisch ist Kaffee mit Zucker eine tolle Performance. Denn aus Kaffeepulver entstehen Landkarten, aus Kaffeebohnen die Leinwand für Bildprojektionen und aus gekochtem Kaffee eine kurze Kaffeepause für Performerinnen und Publikum. Zucker wird ähnlich kreativ verwendet. Wie die Kaffeebohnen dient er als Leinwand. Gemischt mit Kaffee wird er zum Symbol für das Wort «Mestize», ein Wort für Nachkommen mit einem europäischen und einem indigenen Elternteil. So zumindest deutet diese Performance die Mischung aus Kaffee und Zucker.
Zwischen Weiss und …
Mit dem Weissen teil, dem Zucker spielt, Laia RiCa auf spannende und charmante Weise. Eine Maschine erzeugt Zuckerwatte. Mit dieser entstehen süsse Zuckerwölkchen, aber auch Girlanden, die die Performerin kreativ um den Körper legt, sich die Zuckerwatte ins Gesicht fliegen lässt und eine weisse Maske aus Zucker kreiert. Dann tanzt sie mit dieser über die Bühne, was ziemlich lustig ist. Der Tanz kann mehrfach gedeutet werden. Es könnte ein sich lustig machen über die weisse Kolonialbevölkerung sein oder ein sich lustig machen über die heutige weisse Kultur. Am wahrscheinlichsten aber die Suche nach dem Umgang mit dem eigenen weissen Anteil als Mestizin.
Darauf deutet die Verhandlung nach dem Tanz, der die weisse Laia zu Wort kommen lässt. Die weisse Laia, die Angst hat bei der Aufführung eines Queeren Stücks über Lesben vom indigenen Publikum gelyncht zu werden. Die weisse Laia, die kritisch auf ihre Zeit am Gymnasium schaut, weil da die Nachfahren dieser Kolonialherren zur Schule gehen, die damals, die indigene Bevölkerung ausgebeutet haben. Es vielleicht auch heute noch tun. Die weisse Laia kennt sich ziemlich gut, sie wurde weiss sozialisiert. Die indigene Laia weiss aber leider sehr wenig über sich. Ihre Grossmutter hat sie nie kennengelernt. Selbst ihre Mutter hat ihre eigene Mutter nie gekannt.
Und so wirft die Performance die finale Frage auf, was neben «Weiss sein» «Indigen sein» bedeutet. Und wo das dazwischen von beidem liegt. Bei dieser essenziellen, spannenden Frage hört die Performance auf. Dabei würde sie hier doch erst richtig beginnen. Sie endet, mit der Kernfrage anstatt diese zu verhandeln. Die Thematik hätte tiefer ausgearbeitet werden können, statt nur seicht die Oberfläche zu kratzen.